Wann geht es um eine Berufsunfähigkeit?
Formal geht es nicht mehr „nur“ um eine Arbeitsunfähigkeit, wenn jemand für mindestens sechs Monate durchgehend seinen Beruf nur noch zu 50 % oder weniger ausüben kann. Maßgebend ist hierbei die Tätigkeit, die zu Beginn der Erkrankung oder am Tag des Unfalls ausgeübt wurde. Dies gilt für Angestellte, wie auch für Selbständige. Sind diese Bedingungen erfüllt, fallen die gesundheitlichen Einschränkungen in den Bereich einer Berufsunfähigkeit (BU).
Staatliche Unterstützung bei einer längeren Erkrankung
Bei einer anhaltenden Erkrankung oder langfristigen Unfallfolgen bietet die Deutsche Rentenversicherung zur finanziellen Absicherung eine Erwerbsminderungsrente. Die formalen Voraussetzungen bestehen darin, dass eine Mindestmitgliedschaft von fünf Jahren in der Rentenversicherung besteht und davon mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge entrichtet wurden. Im Gegensatz zu einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung wird hier die noch verfügbare Arbeitskraft grundsätzlich bewertet bezogen auf körperliche und geistige Tätigkeiten, es geht also nicht speziell um den zuvor ausgeübten Beruf.
Prüfung der Leistungspflicht
Die Leistungsprüfungen hierbei sind streng, häufig reichen die Einschätzungen von behandelnden Ärzten und Therapeuten nicht aus. Die Rentenversicherung beauftragt dann einen Gutachter, der durchaus zu einem anderen Ergebnis kommen kann und auf Tätigkeiten verweist, die der Antragsteller trotz Erkrankung noch ausüben kann. Im schlechtesten Fall erhält der Betroffene überhaupt keine Unterstützung, wenn der Gutachter der Meinung ist, dass noch eine andere Tätigkeit zu mindestens sechs Stunden täglich möglich ist. Bei einer Einschätzung von täglich drei bis maximal sechs Stunden wird zumindest eine anteilige Erwerbsminderungsrente von 50 % gezahlt. Auch der Gang zum Sozialgericht ändert nicht immer etwas, da auch hier wieder ein Gutachter beauftragt wird, der sich an den vorherigen Einschätzungen orientieren wird.
Gründe für den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung
Die Erwerbsminderungsrente reicht nicht aus
Selbst wenn eine Erwerbsminderungsrente bewilligt wird, liegt sie oft deutlich unter dem vorherigen Nettoeinkommen. So wurden beispielsweise im Jahr 2019 selbst bei einer Anerkennung in voller Höhe im Durchschnitt weniger als 900 Euro monatlich gezahlt. Eine private BU-Versicherung empfiehlt sich also, um die hierdurch entstehende Versorgungslücke zu schließen.
Jeder kann betroffen sein
Beim Thema Berufsunfähigkeit können schnell Gedanken kommen wie „Was kann schon passieren, damit ich meinen Job noch nicht mal mehr ein paar Stunden am Tag ausüben kann?“ Gerade bei vermeintlich „ungefährlichen“ Tätigkeiten im Büro. Dabei sind psychische Erkrankungen, wie zum Beispiel eine Depression mittlerweile der Hauptgrund für den Verlust der Arbeitskraft. Knapp ein Drittel der BU-Fälle wird aufgrund einer solchen Krankheit festgestellt. Bei Arbeitnehmern endet nach sechs Wochen durchgehender krankheitsbedingter Abwesenheit die Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber. Danach erhalten sie zunächst ein Krankengeld. Sobald die Krankenversicherung jedoch den Eindruck gewinnt, dass es eine langanhaltende Erkrankung ist, gegebenenfalls mit Bezug zur Arbeitssituation, wird sie die Zahlung einstellen, mit Verweis auf eine Berufsunfähigkeit. Private Krankenversicherungen (PKV) verfahren hierbei genauso. Bei Selbständigen können die finanziellen Probleme noch schneller entstehen, je nachdem, welches Krankentagegeld sie bei einer PKV abgesichert haben.
Wenige alternative Angebote
In der privaten Versicherungswirtschaft gibt im Falle einer längeren Erkrankung wenig Alternativen zu einer BU-Versicherung, um den Verdienstausfall abzusichern. Eine private Zusatzabsicherung kann auch über eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung erfolgen. Hierbei können Versicherte die Höhe der monatlichen Rente selbst bestimmen. Jedoch besteht erst ein Leistungsanspruch, wenn der Versicherte überhaupt keine berufliche Tätigkeit mehr ausüben kann und somit zu 100 % invalide ist. Weiterhin werden sogenannte Dread Disease-Versicherungen angeboten. Diese bieten jedoch nur eine Absicherung für die Erkrankungen, die im Versicherungsvertrag explizit aufgeführt sind. Bei allen anderen Krankheiten erhalten Kunden keine Unterstützung, egal wie lange oder schwer sie erkrankt sind. Manche Versicherer verkaufen auch kombinierte Absicherungen zum Existenzschutz, die Leistungen vorsehen beim Verlust einer Grundfähigkeit (zum Beispiel Sprechen oder Sehen), dem Erhalt eines Pflegegrades, einer Organschädigung oder einem Unfall. Im Vergleich zu einer BU-Versicherung sind hierbei jedoch psychische Erkrankungen nicht eingeschlossen, auch sind die Kriterien für eine Leistungsbewilligung deutlicher und strenger formuliert.
Individueller Versicherungsschutz
Der Markt der privaten Versicherungswirtschaft hat viele Lebensversicherer, die Produkte im Bereich der Berufsunfähigkeit anbieten. So können Kunden, gegebenenfalls unterstützt durch eine professionelle Beratung, den Tarif finden, der am besten zu ihrer Lebens- und Berufssituation passt. So gibt es beispielsweise spezielle Angebote für Ärzte und Studenten. Auch kann die Höhe der monatlichen BU-Rente individuell vereinbart werden, damit kein sozialer Abstieg droht. Weiterhin gibt es Zusatzklauseln wie eine Nachversicherungsgarantie und eine Dynamisierung. Hierdurch besteht die Möglichkeit, die Leistungshöhe zum Beispiel nach einer Gehaltserhöhung anzupassen oder der Inflation anzugleichen. Ein weiterer Vorteil einer BU-Police besteht darin, dass nach Abschluss des Vertrags keine Wartezeit besteht wie bei der Erwerbsminderungsrente der Rentenversicherung (siehe oben).
Beiträge steuerlich absetzbar
Die Beiträge zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung können grundsätzlich beim Sonderausgabenabzug steuerlich geltend gemacht werden. Hierbei besteht jedoch eine Abhängigkeit zu den Beiträgen der eigenen Kranken- und Pflegeversicherung, die eine jährliche, vom Gesetzgeber festgelegte Grenze nicht überschreiten dürfen.
Fazit zur Berufsunfähigkeitsversicherung
Eine BU-Police ist für die Existenzsicherung im Falle einer anhaltenden Erkrankung eine unverzichtbare Absicherung. Der Versicherungsschutz kann individuell vereinbart werden, beginnt ohne Wartezeit und ist steuerlich absetzbar. Die staatliche Leistung in Form einer Erwerbsminderungsrente ist dagegen in den meisten Fällen deutlich geringer als der vorherige Verdienst und wird je nach Einschätzung eines Gutachters in manchen Fällen auch gar nicht gezahlt. Grundsätzlich ist der zusätzliche Abschluss einer Rechtsschutzversicherung ratsam, da bei psychischen Erkrankungen die Darstellung von konkreten Leistungseinschränkungen für Ärzte und Therapeuten schwierig sein kann und manche Versicherer durch eigene Gutachter versuchen, der Leistungspflicht zu entgehen.